von Paul Trosien 

Ich sitze mit meiner Schwester in der Küche unseres Elternhauses. Wir diskutieren über Verhütungsmethoden und darüber, ob es ok ist, dass ein Arzt einer 25 jährigen Frau die Durchführung einer Sterilisation verwehrt. Meine Schwester gibt mir das Gefühl, dass ich ein schlechter Mensch bin, wenn ich mich nicht als lebendes Versuchsobjekt für ein Metallventil, das in meinen Samenleiter eingebaut wird, zur Verfügung stelle. Es scheint mir, dass die Tatsache, dass ein Arzt die Frechheit besitzt eine medizinisch nicht indizierte Sterilisation zu verweigern, in einigen Personen den Wunsch nach eben dieser potenziert. 

Ich denke, dass meine Schwester den Beruf Arzt als Dienstleister fehlinterpretiert und frage mich, warum mir Hass entgegenschlägt nur weil ich es ablehne mir ein Schaltventil in den Hoden einbauen zu lassen. 

„No uterus, no opinion“, sagt sie. „No Hodensack, no opinion“, schallt es in meinem Kopf, doch die Worte verlassen meinen Mund nicht. Zum Glück - sind sie doch genau so dumm, wie das angeführte Pop-Argument. 

Ich bin ein Mann, also darf ich keine andere Meinung über die Parität der Geschlechter haben, als die laute „Feministinnen“ Bubble im Netz. Das ist das Paradigma unserer Zeit. 

Ich wurde in einem Haushalt erzogen, in dem man ein schlechtes Gewissen hat, ein Mann zu sein. Mein Vater ein Workaholic, dem es schwer fällt Gefühle zuzulassen weil er als Kind von seinem Vater verprügelt wurde. Meine Mutter, voller Männerhass, seit ihr eigener Vater mit Mitte vierzig mit einer Kegelfreundin durchgebrannt ist und danach reumütig von seiner Frau zurückgenommen wurde. Schuld an der ausgekühlten Ehe und dem Charakter meiner Schwester: Mein Vater. Darauf wurde sich stillschweigend geeinigt. Die Bezeichnung Mann war gleichbedeutend mit Macho. Auch heute würde ich mein Geschlecht eher als Junge bezeichnen, als als Mann. Hört sich einfach komisch an im Kopf. Ich habe mich in meinem Leben nicht geprügelt, wenn man von harmlosen Schubsereien auf dem Fußballplatz absieht. Ich war kein „cool kid“, weil ich niemanden gemobbt habe. Ich habe noch nie eine Frau begrapscht oder belästigt. Ich habe mich nie vorgedrängelt. Ich überlasse es anderen, ob sie sich für meine Meinung interessieren und ob sie sie teilen oder nicht. Ich dränge meiner Freundin keine Verhütungsmethode auf, sondern unterstütze uns bei einer gemeinsamen Entscheidungsfindung. Ich habe den ganzen Tag geweint als meine Katze gestorben ist und spreche viel über Gefühle. Alles in allem bin ich nicht das, womit das Wort Mann momentan oft gleichgesetzt wird. 

Wenn Margarete Stokowski in ihrer Brandenburger Kommune sitzt und in der neuesten Ausgabe ihrer Spiegel Online Kolumne konspiriert, Armin Laschets „rumgeonkel“ sei die neue versteckte Form des Patriarchats, verharmlost sie alle triftigen Gründe warum die CDU unwählbar ist und zieht sie durch den Dreck. Sie missinterpretiert damit generelle Gleichgültigkeit gegenüber den Interessen der Jungen Generationen und deutet diese fälschlicherweise als Sexismus. Margarete Stokowski erwähne ich speziell, da sie mir ein etabliertes Sprachrohr der genannten Bubble in einem einflussreichen Medium wie Spiegel Online zu sein scheint. Liest man ihre Texte, die durch ihren Erfolg als repräsentativ für eine große Anzahl von Menschen angesehen werden können, bekommt man das Gefühl, das alles Unrecht in der Welt auf das „Patriarchat“ zurückzuführen ist, dass nur Frauen einen individuellen Standpunkt zum Thema vertreten können oder Männer die dem „Feministischen Konsens“ nicht Wiedersprechen. Viel mehr ist der einzige Platz den sie Männern in ihren Texten gibt, die Projektionsfläche allen Übels und man bekommt das Gefühl, dass das Problem tatsächlich Männer an sich sind. Männer sind eben so wie Männer sind und man muss ihnen weniger Macht über die Welt geben, weil Frauen so sind wie Frauen eben sind und die Welt eine bessere wäre wenn nur Frauen das sagen hätten. Matriarchat statt Patriarchat. Dabei wird vollends außer acht gelassen, dass die Eigenschaften, die Männern eben so zugeschrieben werden, Teil der Sozialisation von Männern in unserer Gesellschaft sind. Dabei gibt es auch Männer, zu denen ich mich zähle, die sich nicht durch ihr Geschlecht definieren, sondern durch ihre menschlichen Eigenschaften losgelöst von Geschlechterstereotypen. Toxic Masculinity wird als stigmatisierende Bezeichnung missbraucht um Männer im generellen zu diskreditieren. Die gleichen Eigenschaften bei Frauen, werden jedoch als Feministisch abgefeiert. Nicht Männer sind das Problem sondern Strukturen, die Ellenbogen und Rücksichtslosigkeit belohnen. Wollen wir Frauen in Machtpositionen hieven, auf dass sie sich „typisch männliche“ Eigenschaften angewöhnen um in dieser Geltungsgierigen Gesellschaft „mehr“ Wert zu sein? Oder wollen wir die Strukturen dieser Welt ändern, auf dass Wissen, Bedachtheit und Menschlichkeit Erfolg in der Gesellschaft versprechen und Frauen sowie Männer gleichermaßen schwach und verletzlich, einfach Menschen, sein können? 

Dies wird nur gelingen, solange man nicht grundsätzlich die Hälfte der Bevölkerung aus einer Debatte ausschließt, die uns alle angeht. Das momentane Paradigma in dieser Diskussion wird von einer lauten Minderheit der Gesellschaft bestimmt, die die Gründe für ihren Misserfolg in der Gesellschaft im außen sucht. Lassen wir die lauten schreien und geben den leisen den Raum zu reden, Frauen, Männer, Menschen unbestimmten Geschlechts. Das ist das wahre Problem, mit dem alle Ungerechtigkeit zu besiegen ist.

 

Hier die oben erwähnte Kolumne zum Nachlesen: https://www.spiegel.de/kultur/scholz-laschet-und-merz-wie-das-patriarchat-heute-aussieht-kolumne-von-margarete-stokowski-a-fcb92290-832a-4c79-9087-aacd4f37fbe9

header image: unsplash / craig-mclachlan

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